Mary Bauermeister (*1934 Frankfurt/M.)
arbeitet seit 1957 als freie Künstlerin in Köln und New York.

1960-62 organisierte sie in ihrem legendären Atelier in der Kölner Lintgasse 28 experimentelle Ausstellungen, Lesungen und Konzerte „neuester Musik“ mit Künstlerkollegen wie Cage, Brecht, Cardew, Christo, Paik, Cunningham, Tudor, Patterson, Vostell u.v.a. Diese Konzerte und Aktivitäten waren in Deutschland die Grundlage einer Bewegung, die man später, im September 1962, in Wiesbaden „Fluxus“ nannte. Ende der 70er Jahre kehrte Mary Bauermeister nach einem längeren Aufenthalt in New York nach Deutschland zurück und begann sich mit Grenzwissenschaften zu beschäftigen, wie z.B. der Geomantie, der Wissenschaft über energetische Strukturen der Erde. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse nutzt sie für die Planung ihrer Gärten, die sie für öffentliche und private Auftraggeber weltweit ausführt. Mit Konsequenz und Kontinuität, gepaart mit humorvoller, könnerischer Leichtigkeit hat Mary Bauermeister ihre Forschungsarbeit in Sachen Kunst jedweder Disziplin seit Beginn ihrer vielfältigen künstlerischen Aktivitäten „auf den Punkt gebracht“.


Zu Besuch bei der Künstlerin Mary Bauermeister, Juni 2005 von Sigrid Beckmann-Lamb

stele im gartenDas Wetter war kalt und ungemütlich, als die ca. 25 Teilnehmer mit dem Kunstverein Oberberg den Bus bestiegen, um die Künstlerin Mary Bauermeister in ihrem Haus in Rösrath-Forsbach zu besuchen. Die Fahrt dorthin verging jedoch wie im Flug, der Bus war angenehm geheizt und die gutgelaunte Truppe voller Erwartung. Diese sollte dann auch nicht enttäuscht werden, denn das in wunderschönem alten Baumbestand gelegene Anwesen der Künstlerin nahm auf den ersten Blick gefangen. Das auf verschiedenen Ebenen gebaute Haus mit seinen vielen Flachdächern und riesigen Fensterflächen wurde von hoch gewachsenem Efeu und Ranken umarmt. Die Flachdächer waren zu kunstvoll gestalteten Wasserdächern verändert worden, in denen sich meisterlich arrangierte Kunstwerke aus Wasserpflanzen, seltenen Steinen, Holzscheiben und hohen, massiven Glasstelen spiegelten. Dreieckige Stelen, die so typisch für die Arbeit von Mary Bauermeister sind und fast schon als ihr Markenzeichen angesehen werden können.

Bevor wir das Haus und damit ihr Atelier betreten konnten, ging es seitlich vorbei in den etwa 2.000 qm großen Garten. Garten? Nein, was uns dort empfing, war kein üblicher Gemüsenutzgarten. Es war ein parkähnlicher, verwunschener Zaubergarten mit alten, hoch gewachsenen Tannen, Fichten, Erlen, Kiefern etc., die als stolze Solitäre ihr Reich behaupteten. Darunter wohnten Pflanzenfamilien aus Farnen, Lupinen, Fingerhut einträchtig beisammen, denen mal ein großer Bergkristall, mal eine Massivglasstele beigeordnet war. Eine Idylle aus Pflanzen, Stein und Kristall.

Eingerahmt von Holunderbüschen und Bambusgräsern sah man originelle, künstlerisch gestaltete ehemalige Bauwagen, die mit etwas Phantasie eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Waggon der Transsibirischen Eisenbahn aufwiesen und als kurzfristige Übernachtungsmöglichkeit für die vielen Besucher Mary Bauermeisters dienten. Kleine Holzpavillons, ein riesiges Baumhaus und immer wieder auftauchende Sitzgruppen aus Baumscheiben erzeugten das Gefühl, in eine Märchenwelt eingetaucht zu sein. Der Höhepunkt bildete ein fast 1 Meter hoher und über 90 cm breiter Bergkristall, der wie ein dicker, schwerfälliger Steinkönig seine Welt bewachte.

stelenkunstDann wurden wir ins Haus gebeten, wobei das Wort „Museum“ angebrachter wäre. Eine Welt aus Weiß, aus Glas, aus Licht, aus sakralen Kunstgegenständen aller Herren Länder, alten schweren Büchern, seltenen Texten, unzähligen kleinen und kleinsten, kunstvollst verarbeiteten Kieselsteinen, Meditationskissen, Lichtskulpturen, Glasstelen und ebenso unzähligen Glasprismen, die z.T. in die Stelen eingearbeitet wurden, raubten uns den Atem. Hell, hell war alles, selbst die Luft schien heller zu sein als sonst wo und doch war kein künstliches Licht vorhanden. Hier leuchtete die klare Welt eines großen Geistes, hier walteten Präzision und Scharfsinn und bildeten einen phantastischen Gegenpol zur verwunschenen und stellenweise verwilderten Oase des Gartens.

Das nächste Glanzlicht stand bevor. Der Dichter und Pianist Hans Bruncken spielte an einem ebenfalls weißen Flügel, ließ den Komponisten Philipp Glass zu neuem Leben erwachen und berührte uns mit seinen romantischen Klängen. Nicht genug der Wonne. Ein weiteres Labsal wurde uns zuteil. Der Dichter ließ uns an seinen lyrischen Texten teilhaben und trug den „Tanz der Steine“ vor. Ursprünglich gedacht als begleitendes Gedicht zu Mary Bauermeisters Steinbildern, entfaltete sich ein Sprachgemälde, das weit darüber hinausreichte. Eine fast kosmisch anmutende, gewaltige Ode an das Mysterium des Lebens, der Schöpfung rollte sich auf und enthüllte immer tiefere Schichten von Werden und Vergehen. Mal fühlte man sich erinnert an Walt Whitmann, mal an Rilke, mal an Hermann Hesse. Und doch war alles Original Bruncken, „Hans Bruncken aus einem Guss“. Während er las, spielte er mit seiner Stimme ebenso wie vorher mit den Tasten des Flügels. Er flüsterte, seufzte, stöhnte, litt, schmeichelte, umwarb, entlarvte und demaskierte, zog alle Register seines Könnens. Doch immer war er echt, ungekünstelt, ohne Pathos.

Wir kamen noch in den Genuss weiterer Texte, die ebenfalls ursprünglich den Werken der Künstlerin zugeordnet waren, gleichzeitig aber universelle Bedeutung hatten. Die Differenziertheit der Worte war beeindruckend, die Zartheit berührend, die Ehrlichkeit, mit der er Sinnfragen stellte und menschliche Grundbedürfnisse aufzeigte, gewann unsere Herzen. Mary Bauermeisters weiter, freier Geist und Hans Brunckens tiefe Seele haben ebenso tiefen Eindruck hinterlassen. Nach drei Stunden hieß es Abschied nehmen. Ein einzigartiger Besuch ging zu Ende. Der Bus erwartete uns. Beglückt fuhren wir nach Hause. Die gut organisierte Aktion des Oberbergischen Kunstvereins hatte uns wieder einmal reich beschenkt.

"Schönheit ist die vollkommene Übereinstimmung
des Sinnlichen mit dem Geistigen"

Franz Grillparzer


"Tanzende Steine"von Hans Bruncken für Mary Bauermeister

Tanzende Steine,

unsichtbar,

trotzdem,

obwohl verteilt an den Stränden der Meere,

glatt und rund, übereinander oder nebeneinander und ohne Sinn, vom Zufall verteilt.

Nur wer die Musik hört, nach denen sie sich bewegen und tanzen, kann sie sehen, wie sie zu Teppichmustern formiert in Spiralwelten kreisen und lebend werden dem lauschenden Auge.

Mächtig tanzen sie durch die Welten, jenseits jeder Bewegung, im Geheimen, verborgenen.

So halten sie die Welt zusammen.

Großes trägt Kleines und macht Kleines erst sichtbar,

macht das Kleine sehend auf seinen großen Schultern.

Schweigend drehen sie sich im Ballett, das Schwere unten und das Leichte oben.
Kalt sind sie und schweigend. Niemand hört ihren Atem.

Und dennoch atmen sie die Ewigkeit in sich hinein.

Und ausatmend verkünden sie die Größe der Zeit, und ihre ewige Länge und Dauer.
In der Ewigkeit geformt, von der Zeit gewaschen und geglättet, zeugen sie von der Größe des Gottes, der sie schuf.

Sie sind uns Menschen die Brücke zum Urgrund und wer sie fühlt, fühlt die zeitlose Ewigkeit in ihnen.

Sie ihren unendlich langsamen Tanz in unendlich langsamen Wirbeln tanzen zu lassen, es sichtbar werden zu lassen, was sie sind, zeigt Wahrheit. Die Wahrheit des Ewigen.
Ihr Gesang übertönt die Erde.

Niemand weiß, ob die Gräser sie hören können. Vielleicht hören die fernen Sterne sie.

Vielleicht der Mond, der sie milchig weiß anleuchtet und sie aus dem Dunkel der Nacht hell wie Diamanten am Ufer leuchten lässt.

Nur das Wasser der sich zärtlich an ihnen brechenden Wellen umarmt sie streichelnd und zieht sich streichelnd und liebkosend wieder in sich zurück, um aufs Neue sie zu umfangen.

So liebt das Meer, dass uns die Unendlichkeit hinter seinem Horizont erkennen lässt, seine Schwestern aus der Ewigkeit.

Und murmelnd und glucksend vor Glück schmiegt es sich an sie mit unzähligen Armen und lässt sie benetzt von seinen Tränen sich wendend in den eigenen Atem glitzernd vor Glück zurück.

Wer wundert sich, wenn sie über sich hinaussteigen und tanzen?
Im Mondlicht kann man sie tanzen sehen. Wie sie ihre Formationen bilden, Muster aus den Webvorlagen der Nornen,

Mandalas der Schöpfung, aus denen alles hervorgegangen ist.
Unbesiegbar tanzen sie ihren Tanz, nichts kann sie stören oder hemmen.

Kein Störer kann sie tanzen sehen.

Nur wer sie liebt, sieht sie und tanzt mit ihnen. Schwingt sich ein, in den großen Reigen und formt sich selber mit ihnen in ihre unendliche Langsamkeit ein.

Aber was ist langsam? Was schnell?
Was ist kurz und was ist lang?

Der Tanz der Steine ist langsam und doch schon fast zu schnell für die Welt, denn schneller kann sie sich nicht drehen.
Besteht nicht die Welt aus großen und kleinen Steinen? Halten sie sich nicht mit ihrer zu Erde gewordenen Liebe zusammen und schenken uns festen Boden?

Tanzen sie nicht schon lange mit uns ihren gemeinsamen Tanz um ihre flüssigen Schwestern in der Sonne? Bringen sie uns selbst nicht zum Tanz um die Sonne, ohne dass wir es wissen?

Nehmen sie den Unwissenden nicht gnädig mit in ihren heiligen Reigen um die Mutter Sonne?
Wir würden in die Unendliche Leere fallend fliegen, gäbe es nicht ihre erdige Liebe zueinander, mit der sie sich binden und ihren Tanz.

Sie machen kein Aufheben darum, es ist ihr schweigendes Geschenk. Seit so langer Zeit.
Nur wer so schweigend liebt, kann ihren Tanz sehen und zeigen. Kann sie Menschen ins Augenlicht führen, die auf Steine bisher nur getreten sind, ohne ihren kraftvollen Tanz zu fühlen. Nur wer so liebt kann sichtbar machen, was unsichtbar ist.

Nur wer so liebt, kann Herzen anderer in dieses zarte Geheimnis der Steine einführen.

Es ist kein Geheimnis. Denn es liegt offen da.

Wer aber nicht liebt, wird es nie ersehen.
Mutter Meer verneigt sich mit ihren Wellen vor ihnen. So groß ist die Würde der Steine.

Und die Sonne selbst hält sie in ihren Armen sicher und fest in der großen Pirouette um sich selbst. So groß ist ihre Bedeutung. So groß sind ihre Bedeutung und ihre Liebe.
So können wir von ihnen lernen.

Das lehren sie uns.
So spricht die Weisheit aus Steinen!


"Ave Maria"von Hans Bruncken

Ave Maria,

gebenedeit seist Du unter den Weibern,

alle gekreuzigt und geopfert.

Gegrüßt seist Du, Maria,

voller Gnaden, dass Du noch nicht abgestiegen bist vom Kreuz, blutend aus tausend Wunden, und geschändet das Heiligtum Deines Leibes, geopfert für den Größenwahn der Betrüger, selber Mittler sein zu wollen, zwischen Gott und den Menschen.

Ohne Brücken zu haben erheben sie Brückenzoll.

Ave, Frau, die Du Maria heißt oder Isis,

gebenedeit ist Dein Leib, der die Brücke ist zwischen

Himmel und Erde.

Oder kommen Kinder aus der Hölle? Von der Kirche verflucht als ehrlose Dirne leidend unter Satans tierischen Begierden.
Ave Maria, das Licht Deines Körpers leuchtet über die Zwei Jahrtausende.

Deine makellose Ästhetik lässt sich nicht verdunkeln und verbergen unter den „Säulen des Höllentors“, wie Deine Beine gedemütigt werden.

Ave Maria, Mittlerin zwischen Gott und den Menschen, in den tiefsten Sumpf gestoßen in unendlichem Leiden, und dennoch hast Du vermittelt, hast die Himmel auch im Sumpf des Mülls für Menschen geöffnet.

Ave Maria, Gefangene des Satans, gebunden und zum Objekt verschnürt hast Du noch gefangene Seelen befreit. Der Tempel Deines Leibes ist unbesiegbar, keine Demütigung kann ihn verstecken.

Hell strahlt das Licht aus den mit Glück gefüllten Mulden Deines Unterleibes, und ewig leuchtet Dein Tor zur Ewigkeit auch in den dunkelsten Verließen der Kirche Satans.
Ave Maria, lasse die Schönheit leuchten über mich und sei mir gnädig.

Gegrüßt seist Du, Maria, voller Gnaden!

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