Sulamith Wuelfing 1901-1989von Magdalena S. Gmehling

Sulamith Wülfing wurde 1901 in Wuppertal-Elberfeld geboren. Ihren ersten Engel zeichnete die Künstlerin im Alter von vier Jahren. Nach einer behüteten Kindheit studierte sie an der örtlichen Handwerker- und Kunstgewerbeschule. Der Sohn des Direktors, Otto Schulze, wurde nicht nur ihr Ehemann, sondern gleichzeitig ihr Manager, Verlagsleiter, ja die ordnende und bestimmende Triebkraft ihres Lebens. 1943 floh sie vor den schweren Bombenangriffen mit Mutter und Kind nach Rheinhessen und weiter ins Elsaß. Wie durch ein Wunder entging ein großer Teil ihres Werkes der Zerstörung. Nach 1945 nahm Sulamith Wülfing mit ihrem Mann, Otto Schulze, wieder die künstlerische und verlegerische Arbeit auf. Sulamith Wülfing zeichnete sich aus durch ihre ausgeprägte Intuition und Sensibilität und einen begnadeten Ausdruck dieser feinstofflichen, geistigen Welten in ihren Bildern.

"Lassen Sie dem Künstler seine Geheimnisse. Nehmen sie sein Kunstwerk so, wie es Ihnen sich gibt." Mit dieser Bitte um Diskretion versuchte Sulamith Wülfing 1985 auf ihrer letzten großen Ausstellung ihr Leben und ihr Werk abzuschirmen, ihre Privatsphäre zu schützen. Am 20. März 1989 starb sie im Alter von 88 Jahren in Wuppertal.


" Woran ich fest glaube, ist aber die Unsterblichkeit der Seele – die Individualität,
die uralt ist und noch sehr viel vor sich hat an Entfaltung, Weiterentwicklung.
Wie sich das aber alles jenseits unseres Wissens abspielt und abgespielt hat,
das bleibt – jedenfalls jetzt noch – Geheimnis".

Sulamith Wülfing

Die Nationalsozialisten betrachteten ihre Bilder als "entartete Kunst" und verbrannten sie öffentlich in Königsberg. Mancher deutsche Soldat trug im Krieg ihre Postkarten wie einen Talisman im Tornister. Man hängte die Engel der Sulamith Wülfing Neugeborenen über die Wiege und gab sie Verstorbenen mit in den Sarg. Die Nachfrage der Besatzungsmacht nach ihren Bildern ließ den einschlägigen Handel sprunghaft ansteigen. Die feinsinnigen Gebilde wurden um den ganzen Erdball verbreitet. Es gibt Mappen, Kalender, Märchenbücher von Sulamith Wülfing und Schmuckteller-Reproduktionen auf teurem Porzellan. Als Malerin des Feinstofflichen und als Intuitive, der es gegeben war, die Gesetze des Übernatürlichen verhalten auszudrücken, darf man ihr eine besondere Sensibilität für die Beziehung zwischen dem Schönen und Guten nachrühmen. Das sichere Empfinden der wesenhaften Verbindung von Form und geistiger Schau kennzeichnete das Schaffen der Künstlerin lebenslang. Die bedrängenden, detailgenauen und aussagekräftigen Bilder einer magisch schwebenden Welt nahmen unter ihren begnadeten Händen Gestalt an.

Obwohl die Künstlerin ein streng abgeschiedenes, ja fast klausurhaft einsiedlerisches Leben führte, gab es Kontakte zu zeitgenössischen Schriftstellern und Malern. Zu nennen sind der nach 1945 als vermisst geltende Schriftsteller Max Jungnickel, die Langenburger Pfarrfrau Agnes Günther, deren Roman "Die Heilige und ihr Narr" Sulamith Wülfing illustrierte. Ferner der Holzschneider Ernst von Dombrowski, dessen Werke sie sehr bewunderte, die Malerin Hanna Nagel und das Multitalent Ruth Schaumann. Befreundet war Sulamith Wülfing mit den Familien Fidus und Vogeler. Auch hatte sie Verbindungen zu den Kreisen um Krishnamurti. In den fünfziger Jahren inspirierten sie der Wuppertaler Bühnenbildner Heinrich Wendel und der Dirigent Hartmut Klug. Gelegentlich kam es vor, dass ein hoher Abgesandter des Vatikan unvermittelt um eine lange Unterredung mit ihr nachsuchte.

Sulamith Wülfing stand der modernen Kunst nach eigener Aussage "ablehnend wie ein Klotz" gegenüber. Sie war der Ansicht, es sei eine Sünde, den Menschen "Steine statt Brot" zu reichen. Ihre besondere Fähigkeit, nicht nur das Charakteristische menschlicher Gesichter, sondern auch das Wesen der abgebildeten Person zu erspüren und festzuhalten, ließ keinen Raum für experimentelle Spielereien, geschweige denn für die Missachtung ästhetischer Gesetze. Immer wieder betonte sie, nur das gelten zu lassen, "was aus der Liebe" käme. Oft wurde sie als religiöse Künstlerin bezeichnet. Dies mag insofern gelten, als ihre Bilder jenseits aller Konfessionen angesiedelt sind. Der ergreifende Christuszyklus, den sie lange Zeit geheim hielt, belegt ihre eigene Aussage, dass an der historischen Person des Jesus von Nazareth kein Künstler vorbeisehen kann.

Ihr frühes Schaffen ist allerdings weit mehr in den phantastischen Zwischenwelten beheimatet. Gnomen, Geister, Hexen, Nymphen, Elfen waren ihr bildreiche Wirklichkeit, die sie in ihren filigranhaften, oft wie hingehaucht erscheinenden Blättern enthüllte. Mit zunehmendem Alter wurden ihre Bilder ernster und todesbezogener. Die Eleganz und die visionäre Kraft ihrer Engeldarstellungen sind unbestritten. Sie selbst hatte oft das Gefühl, als flögen selige Scharen mit weitem großen Flügelschlag in alle Welt. Das Schöne war für sie ein geistiges Kraftfeld, welches seine Berechtigung in sich trug.


Es gibt so wunderweiße Nächte, drin alle Dinge Silber sind. Da schimmert mancher Stern so lind, als ob er fromme Hirten brächte zu einem neuen Jesuskind. Weit wie mit dichtem Demantstaube bestreut, erscheinen Flur und Flut, und in die Herzen traumgemut, steigt ein kapellenloser Glaube, er leise seine Wunder tut.

Vor lauter Lauschen und Staunen sei still,
du mein tieftiefes Leben;

dass du weißt, was der Wind dir will,
eh noch die Birken beben.
Und wenn dir einmal das Schweigen sprach,
lass' deine Sinne besiegen.
Jedem Hauche gib dich, gib nach,
er wird dich lieben und wiegen.
Und dann meine Seele sei weit, sei weit,
dass dir das Leben gelinge,
breite dich wie ein Feierkleid
über die sinnenden Dinge.

Rainer Maria Rilke

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