Edda Moser: „Anglizismen sind unerotisch“
18. Oktober 2006, 00:00 Uhr
Die Sopranistin Edda Moser (67) lehrt als Professorin an der Kölner Musikhochschule. Ihrer Anregung verdankt sich das „Festspiel der deutschen Sprache“, das am Donnerstag auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt stattfindet. Zu den Vortragenden zählen die Schauspieler Mario Adorf und Jutta Hoffmann und der Schriftsteller Reiner Kunze.
WELT.de: Woran krankt die deutsche Sprache?
Edda Moser: An der Verlegenheit der Menschen, sich auszudrücken. Die vielen Anglizismen gehen meiner Meinung nach auf eine tief sitzende Angst vor echten Gefühlsäußerungen zurück. Die Leute meinen zwar „Verzeihung“, sagen aber „Sorry“. Das ist viel oberflächlicher. Aus Scheu vor Tiefe werden Gefühle versteckt.
WELT.de: Woher rührt diese Scheu?
Moser: Weil das Deutsche der Gegenwart nicht zu entsprechen scheint. In einer Zeit, wo alles „cool“ und „lovely“ zu sein hat, wächst anscheinend die Scham vor der Farbe, vor der Tiefe, vor dem Timbre der deutschen Sprache. Diese Entwicklung muss rückgängig gemacht werden. Meinen Schülern verbiete ich daher alle Anglizismen.
WELT.de: Klappt das?
Moser: Bei wem es nicht klappt, der bekommt Ärger. Studentinnen, die in meinen Seminaren „okay“ sagen, müssen einen Euro zahlen. Und den Männern sage ich: Wenn Ihr so redet, seid Ihr unerotisch.
WELT.de: Der Zuwachs an englischen Lehnwörtern verdankt sich auch der Globalisierung. Soll man die zum Wohle der deutschen Sprache gleich mit rückgängig machen?
Moser: Mir und Altbundeskanzler Helmut Kohl, der einen großen Beitrag zum „Festspiel der deutschen Sprache“ geleistet hat, geht es um die prägenden Werte des Abendlandes. Wir müssen im Fremden das Eigene zu bewahren versuchen. Die Globalisierung birgt jedoch die große Gefahr der Gleichmacherei. Wie die Franzosen müssen wir künftig lernen, uns sprachlich stärker abzugrenzen. Bislang sind die Deutschen dafür aber zu feige.
WELT.de: Was also ist zu tun?
Moser: Wir müssen bewusster und einfühlsamer mit der großartigen deutschen Sprache umgehen. Und vor allem denen helfen, die damit ihre Schwierigkeiten haben. Als ich in einer Fernsehsendung gefragt wurde, was meine „Message“ sei, habe ich zurückgefragt, was denn damit gemeint sei. Das hat Wirkung gezeigt. Und wenn beim Festspiel jemand wie Mario Adorf die Vorzüge und den Klang der deutschen Sprache preist, bringt das mehr als jede wissenschaftliche Untersuchung von Fachleuten.
Die Fragen stellte Hendrik Werner.